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Von Bausteinen, Stuhlkreisen und dem großen „Rausschmiss“

Von links nach rechts: Jutta Ahlers, Kerstin Grumann, Philipp Kretschmer und Matthias George vor dem Kinder- und Familienzentrum im Vorsfelde. Foto: oh/Stadt Wolfsburg

Das Kinder- und Familienzentrum Vorsfelde feiert sein 55. Jubiläum

Das städtische Kinder- und Familienzentrum (KiFa) Vorsfelde feierte am 15. Juni mit einem großen Sommerfest sein 55-jähriges Jubiläum. Jutta Ahlers, ehemalige Mitarbeiterin, Kerstin Grumann, Koordinatorin des Familienzentrums und langjährige Mitarbeiterin, Mathias George, Leiter der Einrichtung sowie Philipp Kretschmer, Vater eines Kindes aus der Einrichtung und ehemaliges Kindergartenkind im Gespräch über damals und heute.

 

 Was waren damals die größten Unterschiede im Vergleich zur KiFa heute?

Jutta Ahlers: Als ich 1970 hier angefangen habe, waren wir nur vier Leute. Insgesamt 35 Jahre bin ich geblieben. Anfangs gab es die grüne, blaue, gelbe und rote Gruppe, später wurden die einzelnen Gruppen dann umbenannt nach Tieren: Froschgruppe, Raupengruppe, Igelgruppe… Ursprünglich war in dem alten Gebäude eine Schule für Land- und Hauswirtschaft untergebracht, deshalb gab es am Ende des Ganges auch eine Küche sowie zwei Handarbeitsräume.

Höhepunkt und Abschluss der Laufbahn als Kindergartenkind: Der große „Rausschmiss“ vor der Einschulung. Foto: privat

Damals gab es zwischen zwei Gruppenräumen eine Schiebetür. Wenn mal eine Kollegin raus musste, wurde diese Schiebetür geöffnet und eine Erzieherin musste dann auf 40 Kinder aufpassen. Heute wäre das undenkbar. Am Anfang gab es auch keinen Mitarbeiterraum. Wenn wir uns getroffen haben, saßen wir immer auf den Kleinkinderstühlen.

Ein weiterer Unterschied zu heute: Die Väter der Kinder haben wir so gut wie gar nicht gesehen, weil die meisten im Werk im Drei-Schichten-System gearbeitet haben. Die Mütter waren überwiegend nicht berufstätig. Es war damals üblich, seine Kinder den halben Tag von 8 bis 12 Uhr in den Kindergarten zu geben, um Besorgungen zu machen und sich um den Haushalt zu kümmern und die Kinder dann zum Mittagessen wieder abzuholen.

 

War es wirklich so?

Philipp Kretschmer: Ja, so habe ich es auch in meiner Kindergartenzeit erlebt! Morgens wurde ich abgesetzt und gegen zwölf war ich dann wieder zu Hause. Dann gab es Mittagessen bei Oma und der Nachmittag stand zur freien Verfügung. Oft hat man sich vormittags im Kindergarten schon für später verabredet oder am Spielplatz nebenangetroffen, der ja mindestens schon genauso lange existiert wie der Kindergarten selbst.

Woran ich mich auch noch gut erinnern kann, ist der Stuhlkreis: Morgens, wenn wir Kinder ankamen, wurde erst einmal ein Stuhlkreis gemacht. Und der „Rausschmiss“, wenn man in die Schule gekommen ist, war natürlich ein Highlight! Die Fenster des alten Gebäudes waren etwa 1,5 Meter hoch und wer den Kindergarten verlassen hat, musste am letzten Tag über eine Leiter aus dem Fenster klettern und wurde dann feierlich im Vorgarten empfangen

Bei mir haben sich in der Zeit hier Freundschaften fürs Leben entwickelt, die bis heute noch bestehen. Mit vielen bin ich auch zusammen zur Schule gegangen. Mittlerweile leben wir alle irgendwo verteilt auf der ganzen Welt, aber der Kontakt besteht nach wie vor. Das ist auch eine Sache, die ich meinem Sohn wünsche: Dass er hier genauso gute Freundschaften aufbauen kann. Denn ich glaube, die Kita-Zeit ist prägend – auch für die Eltern, die sich hier kennenlernen.

Ein großer Unterschied zu meiner Zeit hier ist natürlich das Gebäude. Ich finde, die Einrichtung hier ist wirklich schön geworden – auch mit dem neuen, offenen Konzept. Als ich das erste Mal mit meinem Sohn hier war, war ich wirklich erstaunt, dass alle Türen und Räume offen sind und die Kinder selber entscheiden können, was sie machen wollen. Das hätte ich mir damals auch gewünscht!

 

Wie gehen die Kinder denn mit dieser großen Freiheit um?

Kerstin Grumann: Wir lassen die Kinder in ihrer Wahlfreiheit nicht ganz allein. Jedes Kind hat eine Bezugsperson, die es begleitet, und die Interessen der Kinder kennt.

Mathias George: In den einzelnen Themenbereichen und Werkstätten gibt es den großen Vorteil, dass wir tatsächlich viel mehr Material zur Verfügung stellen können als in einem Gruppensystem.

 

Was für Materialien und Themenbereiche sind das denn genau?

Mathias George: In Bezug zum damaligen Gebäude mit viel Charme und Geschichte erfreuen sich Kinder heute an einem modernen Gebäude mit Werkstätten, interessanten Nebenräumen mit der Forscherwerkstatt, dem Atelier, einem Wasserspiel sowie breiten Fluren, die Kinder zum Laufen, Springen und Spielen anregen sollen. Mit unserer Eltern-Kind-Küche sollen Kinder einen niedrigschwelligen Zugang zum „selber herstellen“ anregen und in unserem Seminarraum empfängt unsere Koordinatorin mit Kolleg*innen gemeinsam Eltern und Kinder zu unserem Offenen-Kind-Treff oder der Gemeinsam-Wachsen-Gruppe. Wir sind auch stolz darauf, dass wir den Töpferofenraum quasi aus dem alten Keller mit ins neue Gebäude mitnehmen konnten.

Kerstin Grumann: Aber auch das KiFa-Mobil ist stadtweit bekannt und Familien kommen gerne, weil es eine tolle Möglichkeit für Kinder und Eltern ist, sich zu treffen, zu spielen und sich auszutauschen. Auch der Beratungsbereich ist uns sehr wichtig. Wir bieten beispielsweise Elterncafés zu unterschiedlichen Erziehungsthemen an.

 

Gibt es noch eine lustige Geschichte zum Spielmaterial oder wie sich der Einsatz des Materials verändert hat?

Jutta Ahlers: Beim Thema Material muss ich mich an ein nettes Erlebnis von damals erinnern: Da hatte ich in meiner Gruppe zwei Jungs, die gerne mit den Bausteinen gespielt haben. Deren Turm ist aber immer wieder umgekippt – da haben sie ihn einfach mit Kleber zusammengeklebt. Eigentlich sehr klug!

Kerstin Grumann: Nicht nur die Spielmaterialien haben sich verändert, sondern auch das Konzept unserer Einrichtung. Seit November 2012 sind wir das städtische Kinder- und Familienzentrum Vorsfelde. Der Unterschied zu einer „normalen“ Kita ist, dass wir Angebote über die Betreuung der Kinder hinaus anbieten und das nicht nur für die Familien, deren Kinder hier angemeldet sind, sondern für die Familien aus dem ganzen Stadtteil.

Es gibt ein afrikanisches Sprichwort „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“ – dies ist der Ansatz, den wir als Familienzentrum verfolgen.