Kunstpreis der Stadt Wolfsburg "Junge Stadt sieht Junge Kunst" 2020 - Verleihung und Ausstellungseröffnung auf Schloss Wolfsburg.

Porträt Birgit Brenner © Birgit Brenner/VG Bild-Kunst, Bonn 2020; courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin.

Kunstpreis der Stadt Wolfsburg „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ 2020 – Verleihung und Ausstellungseröffnung auf Schloss Wolfsburg.

Birgit Brenner (*1964 in Ulm) ist die diesjährige Preisträgerin des renommierten Wolfsburger Kunstpreises Junge Stadt sieht Junge Kunst.
Die in Berlin und Stuttgart lebende Künstlerin beschäftigt sich in ihren Installationen, Videos und Zeichnungen mit gesellschaftlichen und privaten Zuständen und der Eintönigkeit des Alltags. Ihre gesellschaftskritischen Arbeiten kreisen um die Themen Ungerechtigkeit, Zwang, Scheitern, Glücksversprechen, Überwachung, Gewalt und Angst. Diese Universalthemen verdichtet sie in einfachen Bildern, um eine große Welt zu fassen zu bekommen.
In der Begründung der Jury heißt es: »Birgit Brenner hat eine ganz eigene Bildsprache entwickelt, die sich nicht auf ein Medium beschränkt. In der Gegenüberstellung von analogen und digitalen Sehmustern, von Perfektion und Do-it-yourself, von realem Leben und künstlicher Konstruktion formuliert die Künstlerin Kommentare und Fragen zu aktuell virulenten Themen« Oberbürgermeister Klaus Mohrs: „Der Wolfsburger Kunstpreis „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ ist ein wichtiger Botschafter unserer Stadt. National wie international gab er immer wieder wichtige Impulse. Wir können stolz sein auf das beachtliche Profil dieser Auszeichnung. 1958, anlässlich des 20. Stadtgeburtstages, ins Leben gerufen, gehört er heute nicht nur zu den ältesten Kunsttraditionen Wolfsburgs, sondern ist einer der angesehensten Preise der Bundesrepublik Deutschland.“
Erster Stadtrat Weilmann: „Die Verleihung des Kunstpreises „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ ist seit vielen Jahrzehnten ein Fixpunkt im kulturellen Leben unserer Stadt. Sie ist gleichzeitig ein kulturpolitisches Statement. Mit dem Wolfsburger Kunstpreis wird nicht ein abgeschlossenes Lebenswerk geehrt, vielmehr wollen wir mit der Vergabe einen zusätzlichen Antrieb geben und neue Projekte fördern. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie nachhaltig der Kunstpreis als Katalysator für die Weiterentwicklung der jeweiligen künstlerischen Karriere wirkt.“
In der Ausstellung „Promise Me“ im Schloss Wolfsburg zeigt Birgit Brenner unter anderem drei neue Arbeiten, die während ihres Stipendienaufenthaltes in der Villa Massimo in Rom (September 2019 – Juni 2020) entstanden sind. Die in Italien konzipierten Arbeiten erhalten vor dem Hintergrund der Covid19-Pandemie eine besondere Relevanz – auch wenn die Themen nicht als direkte Reaktion darauf entwickelt wurden, sondern schon vorher gedanklich virulent waren. Im ersten Raum präsentiert sie zwei neue Kurzfilme. Bei ihren Recherchen ist sie darauf gestoßen, dass die sogenannte Weltuntergangsuhr dieses Jahr erstmals historisch von fünf Minuten vor zwölf auf hundert Sekunden vor zwölf vorgestellt wurde. „Damit eröffnete sich mir eine Möglichkeit, Umweltbedrohung oder Atomkriegsgefahr so umsetzen, dass es nicht plakativ wirkt.
Die Uhr wird zur Metapher, in der sich der ganze Themenkomplex verdichtet, sie ist ein starkes Bild dafür, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, wenn wir das Ruder noch rumreißen wollen. Daraus habe ich die Idee zu dem Kurzfilm Hundred Seconds to Midnight entwickelt, mit all diesen Figuren, die allein und selbstvergessen wie in Trance vor sich hin tanzen.“ Die Illusion von Bewegung wird durch das Aneinanderreihen von gezeichneten Bildern erzeugt.
In der zweiten filmischen Arbeit, Shifting Baseline, dominieren rasante Bewegungen und intensive Töne, die an Alarmsysteme – auch aus dem medizinischen Bereich – erinnern. Die Themen sind ebenfalls Weltuntergang, Zerstörung, Auflösung und das Ignorieren und Davonlaufen vor Gefahr. Der Film beginnt mit einem strauchelnden, um sich selbst drehenden Flugzeug, das senkrecht zur Erde zu stürzen scheint – das Sinnbild des stürzenden Engels wird hervorgerufen. Der stakkato-artige Rhythmus von Bild und Ton und der starken Kreisbewegung mit stroboskopartigen Bildwechseln erzeugt eine sinnliche Spannung und Überlastung. Die Bildcollage setzt sich zusammen aus gesichtslosen Menschen und aus Spiralen, Wundmalen, Blut, Beinen, zwei statischen, roten Linien der Verwundung, die wie Hemmnisse, Barrieren wirken.
Im nächsten Raum ist die apokalyptische, übergroße Installation When Worlds collide. Sie wirkt wie in den Raum hineingepresst, sprengt sie diesen doch formal und visuell. Gearbeitet in gelasertem oder gebogenem Stahl und partiell mit Kunststoff ausgefüllt, collagiert die Künstlerin hier verschiedene Bildwelten wie einen Filmstill, der eingefroren im Raum zu stehen scheint. Viele Elemente aus den beiden vorherigen Filmen tauchen hier wieder auf. Nur dass man jetzt physisch hineingezogen wird, quasi mittendrin steht. Im letzten Raum zeigt Birgit Brenner den 2019 entstandenen Film Sommer, Sonne, Sicherheit.  Er visualisiert kein lautes Inferno, sondern ein stilles Psychodrama in drei Akten – mit Hinweisen auf Wachstum und Weltbevölkerung.
Die Arbeiten von Birgit Brenner sind voller Spannung, so dass sie uns unmittelbar und intensiv erreichen. Dem fügt sie noch Textcollagen hinzu, die von uns selbst, aus unserem Alltag stammen könnten. Es geht ja auch um uns. Birgit Brenner führt uns die immer stärker ins Bewusstsein kommende Gefahr für die Menschen und die Umwelt vor Augen. „Wir machen einfach immer weiter und tun so, als würde um uns herum nichts passieren.“ Mit dieser Ausstellung erzeugt Birgit Brenner einen maximalen Zustand der Unruhe. Dabei stellt sie weder Fragen noch beantwortet sie welche. „Ich werfe lediglich Bilder in die Welt und sage, so könnte man die Dinge sehen.“
Der Kunstpreis „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ ist mit einer Ausstellung in der Städtischen Galerie Wolfsburg (Laufzeit vom 24. Oktober 2020 bis 25. April 2021) sowie einer Publikation verbunden. Zusätzlich gibt es einen Ankauf für die Städtische Kunstsammlung. Der Preis wurde 1959 erstmals verliehen und versteht sich als eine fördernde Initiative für Künstler*innen, die sich in der Mitte ihrer Laufbahn befinden. Idealerweise kann er als Katalysator für Rückschau und Weiterentwicklung wirken.
Foto: oh/Otto Felber

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