
Die Rolling Stones in Aktion, Wolfsburg, den 25. August 1995.
Ein denkwürdiges Konzert gaben die Titanen der Rock-Musik The Rolling Stones zum Abschluss ihrer „Voodoo-Lounge-Tour“ am 25. August 1995 in Wolfsburg.
Diese Tour führte die Band in den Jahren 1994/95 für insgesamt 128 Konzerte nach Nord- und Südamerika, Japan, Australien, Neuseeland und Europa. Sie war bis zu diesem Zeitpunkt die erfolgreichste Tournee der Musikgeschichte. Für die Aufnahme des gleichnamigen Studio-Albums fanden sich die Briten zwischen Juli und Dezember 1993 in Irland zusammen. In den USA sollten sie dafür 1995 mit dem Grammy für das beste Rock-Album ausgezeichnet werden. Für ihre Europa-Tour gingen die „Rolling Stones“ mit der Volkswagen AG eine Partnerschaft ein. Diese Marketing-Maßnahme des Konzerns war faktisch eine Fortsetzung des Rock-Musik-Sponsoring, das bereits 1992 mit Genesis erfolgreich begonnen hatte und 1994 mit Pink Floyd fortgesetzt worden war. Den Worten des Leiters der VW-Presseabteilung, Otto F. Wachs, zufolge sah der Automobil-Konzern sein Musik-Engagement als neue „interaktive Methode der Kommunikation mit den Kunden“.
Im Vorfeld der Europa-Tournee der Rolling Stones war noch unklar, ob die Rockband auch ein Konzert am Stammsitz des Volkswagen-Konzerns in Wolfsburg geben würde. Es blieb eine ganze Zeit lang ein gutgehütetes Geheimnis, bis schließlich am 23. Mai 1995 die VW-Presseabteilung an die Öffentlichkeit trat und verkündete: „Die ‚Rolling Stones‘ spielen in Wolfsburg auf! Der Weltkonzern bietet die Bühne; das ist die Sahnehaube für Wolfsburg.“ Für den VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch war dieser Auftritt „ein musikalisches Ereignis der Spitzenklasse und Tournee-Highlight“. Unmittelbar nach Veröffentlichung dieses Events in den Medien setzte die Nachfrage nach Eintrittskarten ein. Anfangs rechneten die VW-Verantwortlichen mit etwa 60.000 Besuchern. Ab dem 3. Juni 1995 rollten dann insgesamt 56 Sattelschlepper ihre 170 Tonnenlasten durch 26 europäische Städte. Vom 20. Juni bis zum 25. August tourte die „großartigste Rock’n’Roll-Band der Welt“ (so eine Eigenbezeichnung der Rolling Stones) durch die Bundesrepublik.
Die 1962 gegründeten Rolling Stones standen an der Spitze jener britischer Musikbands, die in den 1960er Jahren auch in den USA populär wurden. Sie standen exemplarisch für die jugendliche und rebellische Gegenkultur der damaligen Zeit. Die Band stützte sich bei ihren Kompositionen auf Elemente des Blues und des frühen Rock’n’Roll. Spielten die Musiker in der Anfangszeit noch vorwiegend Coverversionen, hatten sie dann weitaus mehr Erfolg mit eigenen Stücken. Songs wie „Satisfaction“ und „Paint it Black“ wurden internationale Hits. Auch in den 1990er Jahren blieben die Rolling Stones eine erlebnisreiche Attraktion bei ihren Live-Auftritten. Der Musikwissenschaftler Robert Palmer erklärt den langanhaltenden Erfolg der Band mit ihrer Verwurzelung in der traditionellen Rhythmus-, Blues- und Soul-Musik, während in der Zwischenzeit kurzlebige Pop-Moden gekommen und gegangen sind. Die Rolling Stones wurden 1989 in die Rock and Roll Hall of Fame und 2004 in die UK Music Hall of Fame aufgenommen.
Doch zurück nach Wolfsburg. Anfang Juli 1995 wurde bekannt gegeben, wo der Auftritt der Rolling Stones in Wolfsburg stattfinden sollte, nämlich auf dem Parkplatz Ost des Volkswagenwerkes. Schon zu diesem Zeitpunkt, als bereits mit 70.000 Besuchern gerechnet wurde, war das Konzert fast ausverkauft. Dank der Zustimmung durch die Stadtverwaltung erhielten die Rolling Stones die Möglichkeit, erst nach 22:00 Uhr aufzutreten. Während an anderen Tournee-Orten oftmals eine ausgereifte Bühnentechnik genutzt werden konnte, war in Wolfsburg an allen Rahmenbedingungen zu tüfteln und zu feilen. Was in Hannover, Düsseldorf und Berlin Routine ist, musste in der Volkswagenstadt von Grund auf erarbeitet werden. Nach Einschätzung von Oberstadtdirektor Rolf Schnellecke war das Stones-Konzert „eine große Gelegenheit für die Stadt, auf sich aufmerksam zu machen“. Umfangreiche Verkehrslenkungsmaßnahmen mussten zwischen der Volkswagen AG, Stadtverwaltung und Polizei beraten und veranlasst werden. Beim größten Konzert der Rolling Stones während ihrer Deutschland-Tournee wurden letztendlich 90.000 Eintrittskarten abgesetzt. Anfang August 1995 galt das Wolfsburg-Konzert als ausgebucht. Der Veranstalter der Stones-Tour, Dr. Dirk Albrecht, sprach von gigantischen Konturen des Konzertes in Wolfsburg.
In der Besetzung Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Ron Wood und Darryl Jones traten die Rolling Stones dann am 25. August 1995 vor ihr Wolfsburger Publikum. Zwei Aufnahmen des Wolfsburger Fotografen Ali Altschaffel dienen als Archivalie des Monats Dezember – um damals als Pressefotograf seiner Arbeit nachgehen zu können, musste er sich durch einen Wust an Formalien arbeiten.
In der Besetzung Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Ron Wood und Darryl Jones traten die Rolling Stones dann am 25. August 1995 vor ihr Wolfsburger Publikum. Zwei Aufnahmen des Wolfsburger Fotografen Ali Altschaffel dienen als Archivalie des Monats Dezember – um damals als Pressefotograf seiner Arbeit nachgehen zu können, musste er sich durch einen Wust an Formalien arbeiten.
In einer Konzertkritik der Wolfsburger Nachrichten vom 28. August 1995 hieß es: „Bös und unbändig, frech und provokant indes sind Mick, Keith und Charlie wirklich nicht mehr. Und ihre Fans stürmen auch nicht mehr kreischend die Bühne. Mick kann es sich leisten, ins Publikum zu laufen, ohne eine einzige Haarlocke zu verlieren. Die 20- jährigen unterlassen es heute, ihn zu packen. Die 30-, 40- und 50-jährigen tun es nicht mehr. Sie sind etabliert wie die ‚Rolling Stones‘, zu deren Konzerten nun auch hochrangige Politiker, Industrielle und Kulturschaffende kommen.“ Man geht eben zu den Stones und will dabei gewesen sein. Der Auftritt der Rolling Stones markierte ein gesellschaftliches Ereignis für die Stadt, das Volkswagenwerk und das Land Niedersachsen. Der Rock’n’Roll war salonfähig geworden, hatte die Wandlung vom pubertären Jugendkult zur anerkannten Kulturform vollzogen. Die Rolling Stones verkörperten das Lebensgefühl einer ganzen Epoche.
Text: Werner Strauß, Alle Rechte beim Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS)
Text: Werner Strauß, Alle Rechte beim Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS)
Foto: oh/Ali Altschaffel