Der Laagberg zur Zeit seiner landwirtschaftlichen Nutzung - Archivalie des Monats, Ausgabe 1/2021.

Der Laagberg zur Zeit seiner landwirtschaftlichen Nutzung – Archivalie des Monats, Ausgabe 1/2021.

Der Grünplaner Wilhelm Heintz ist im Dezember 1937 von der Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH damit beauftragt worden, ein Gutachten über die Siedlungsmöglichkeiten im Raum süd-östlich von Fallersleben zu erstellen – und war damit maßgeblich an der Planung der „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ beteiligt. Wohl im Zuge seiner Erkundungen und Vorarbeiten entstand diese Landschaftsaufnahme auf dem Laagberg, die im Bildhintergrund in westnordwestlicher Richtung Ausläufer der Kleinstadt Fallersleben zeigt – zu einer Zeit, als diese noch überwiegend landwirtschaftlich geprägt war.

Es muss zur Mittagszeit an einem warmen Spätsommertag gewesen sein, als der Grünplaner Wilhelm Heintz diese Aufnahme getätigt hat. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, wie am Schattenwurf des Saat-Hafers im Bildvordergrund wie auch der die Fotografie dominierenden sechs Hängebirken zu erkennen ist. Sie ist auf einer leichten Erhöhung inmitten eines von verschiedenen Gräsern und Wildblumen gesäumten Feldwegs entstanden, der die beiden Getreidefelder teilt. Der Hafer steht kurz vor der Ernte. Demnach könnte die Fotografie gegen Ende Juli, Anfang August aufgenommen worden sein. Heintz war im Dezember 1937 von der Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH damit beauftragt worden, ein Gutachten über die Siedlungsmöglichkeiten im Raum süd-östlich von Fallersleben zu erstellen – und damit maßgeblich an der Planung der „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ beteiligt.
 
Diese Aufnahme, die sich in seinem Nachlass als Teil einer umfangreichen fotografischen Sammlung erhalten hat, ist innerhalb dieser unter „Landschaften“ rubriziert (StadtA WOB, S 105, D 1), entstand aber gewiss im Kontext seiner genannten Gutachtertätigkeit. Zwar hat Heintz auch den weiteren Aufbau der anvisierten NS-Mustersiedlung über Jahre in verschiedenen Positionen begleitet, dennoch ist davon auszugehen, dass die Fotografie zu einem frühen Zeitpunkt seiner Tätigkeiten, wahrscheinlich schon im Sommer 1938 entstanden ist. Sie eröffnet demnach eine Perspektive auf die Vorgeschichte des heutigen Siedlungsraumes der Stadt Wolfsburg – auf den Laagberg, um genau zu sein.

Denn auf diesem stand Heintz, als er Blick und Objektiv über das westnordwestlich gelegene Fallersleben schweifen ließ. Einzelne Häuser, die etwas jüngeren Datums erscheinen, sind in Verlängerung des Feldweges in der Bildmitte zu erahnen, im rechten Bildhintergrund wiederum sind größere, wohl ältere Bauernhäuser in dichterer Besiedelung zu erkennen. An deren Rand zeichnet sich eine Streuobstwiese womöglich mit einem Bestand aus Apfel- und Pflaumenbäumen deutlich ab. Die agrarisch erschlossene Landschaft, die in der linken Bildhälfte wenigstens zwei Alleen erkennen lässt – eine davon, links hinten auf der Aufnahme, wahrscheinlich die Ehmer Straße –, ist von Gebüschinseln, Hecken und unterschiedlich großen Laub- und Nadelwäldchen strukturiert. Einzelne Felder sind bereits abgeerntet, zumindest deuten Getreidepuppen in der hinteren Bildhälfte darauf hin. Damit gibt die Fotografie ein gutes Bild von der in jenen Jahren noch landwirtschaftlich geprägten Region rund um Fallersleben, die durch die Errichtung des Volkswagenwerks und der dazugehörigen Stadt einen ungeheuren Aufschwung erleben und aus ihrer beschaulichen Stille gerissen werden sollte.
 
Der symmetrische Aufbau der Fotografie wie auch die gewählte Perspektive lassen den geübten Blick des Grünplaners erkennen. Heintz sollte, obgleich er im „Dritten Reich“ Karriere gemacht hatte, seine vielfach gewonnene Expertise und Ortskenntnis auch in der Nachkriegszeit an alter Wirkungsstätte erfolgreich einbringen. Dabei halfen ihm, wie so oft in der Bundesrepublik der Wiederaufbaujahre, alte Seilschaften – in diesem Falle die mit Peter Koller. Der Architekt und Stadtplaner Koller wurde 1937 damit beauftragt, die „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ zu planen.
Für das zu erstellende Gutachten brachte er Heintz in Position, mit dem er seit 1934 bekannt war. Als dann Koller, in den Nachkriegsjahren noch vor seiner 1955 erfolgten Ernennung zum Stadtbaurat als freier Architekt in Wolfsburg tätig, mit dem Teilbebauungsplan für den Laagberg beauftragt wurde, vertraute er einmal mehr auf die Expertise von Heintz. Dieser sollte die dazugehörigen Grünplanungen übernehmen – demnach für ein Gebiet, das er, wie die Fotografie belegt, schon frühzeitig erkundet hat, das in der Zwischenzeit jedoch zum Standort für ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme geworden war. Es ist zu bezweifeln, dass die Häftlinge die sie umgebende Landschaft mit ähnlichen Augen gelesen haben.
 
Bildquelle: oh/StadtA WOB, S 105, D 3 (6), X 23
 
Text: oh/Dr. Alexander Kraus, Projekt: Wolfsburg auf dem Weg zur Demokratie – Alle Rechte beim Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS)

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